in and out, Interview mit Natalie Keppler

Here and Now, Perla-Mode und Winterhalderareal, Zürich, Juli 2014

NK: Unabhängig davon in welchem Medium du arbeitest, ob Fotografie, Zeichnung oder Installation, wirken deine Arbeiten fragil. Nur durch subtile Eingriffe beeinflusst du die Wahrnehmung des Betrachters stark. Deine auch als memento mori beschriebenen Fotografien wirken auf mich hingegen wie ein humorvolles Spiel mit der Wahrnehmung. Ist Irritation ein wichtiges Element in deinen Arbeiten?

CE: Oft interessieren mich Bilder, die auf den ersten Blick etwas scheinbar Alltägliches, Banales zeigen. Solche bei denen man schnell zu wissen glaubt, was man sieht. Deren Wesen sich aber bei genauerem Hinschauen plötzlich auf den Kopf stellt und sich umkrempelt. Bilder, die zunehmend abstrakter und eigenartiger werden je länger man sie anschaut und die so in gewisser Weise ihre eigene Existenz selber zu hinterfragen beginnen. Oftmals ist bei dieser Verschiebung, bei dieser Irritation, ein Schuss Humor mit dabei, der aber – wie ich meine – auch schnell in eine Art Melancholie kippen kann.

NK: Durch Rahmungen gibst du (scheinbar) schwebenden Objekten eine begrenzte Fläche, einen Hintergrund und einen Zeitpunkt. Was interessiert dich an den dadurch entstehenden Zwischenräumen oder Leerstellen?

CE: Die Leerflächen um meine Bilder sind stets ganz bewusst und sorgfältig gewählt, sie sind Teil der Arbeit und bilden zusammen mit der Rahmung eine unverrückbare Einheit. Daher würde ich auch nie ein Bild aus einem Rahmen lösen. Oftmals nimmt die sogenannte Arbeit, das was man in den Rahmen steckt auch direkt Bezug auf seine Ränder und die Flächen dazwischen.

NK: Sprichwörtliche Einblicke und eine bestimmte Blickführung rufst du in deiner Arbeit für die Ausstellung hervor, indem du zwei kleine Löcher aus der Schaufensterscheibe des Perla-Mode herausschneidest. Welche Sichtweisen und Anspielungen auf diesen Ort und seine Umgebung möchtest du damit rahmen?

CE: Bei der Arbeit in and out (2014) verfolge ich vielleicht einen Ansatz, der ortsspezifischer ist als bei anderen Werken. An einer anderen Stelle aufgebaut, würde das Stück wohl nicht auf die selbe Weise gelesen werden wie an der Langstrasse. Hier ist ein zerschlissenes Schaufenster nicht selten anzutreffen. Die zwei Bohrungen im Glas und vorallem deren Positionierung lassen vage an Einschusslöcher erinner, an abstrakte sozusagen. Sie verbinden ganz physisch den Aussenraum mit dem Innern des Ausstellungsraumes. Der vorbeigehende Betrachter des Werks kann beispielsweise einen Finger durch die Scheibe ins Innere strecken. Die zwei Öffnungen im Glas stellen grundsätzliche Fragen an das Innere eines (Kunst)Raums und an sein Äusseres. Das Werk lässt sich dabei genau auf dieser Grenze nieder.

NK: Es ergibt sich also auch ein Wechsel aus Sichtbarkeit und Undurchsichtigkeit, und eine Spannung zwischen einer Feinheit der Arbeit und physischer aggressiveren Assoziation?

CE: Ja und auch der Aufwand, um die Arbeit zu erstellen, ist im Gegensatz zur letztlichen Erscheinung absurd hoch. Während es genügt mit einer Pistole zweimal abzudrücken um ein Glas in einen ähnlichen Zustand zu versetzen (die Scheibe würde natürlich Risse schlagen), gehe ich bei der Erstellung dieses Kunstwerks quasi den umgekehrten Weg. Weil man nicht vor Ort in das Schaufensterglas bohren kann, musste ich ein Glas mit den Löchern anfertigen lassen und dieses mit der bestehenden Scheibe austauschen. Weiter interessiert mich die Tatsache, dass für die Erstellung dieser Arbeit kein Material an einem Ort verdichtet wird. Mit den Bohrungen trägt man Material ab, die das Glas an zwei Stellen noch ein bisschen transparenter scheinen lassen als es schon ist. Trotzdem verliert die Scheibe als Ganzes an Durchsichtigkeit. Ich meine, dass man nicht mehr direkt durch die Scheibe hindurch sieht sondern mit dem Blick an den zwei Löchern auf der Glasoberfläche hängen bleibt. So kann man plötzlich das gesamte Schaufenster als Bildfläche wahrnehmen, in der man selber und die Umgebung als Spiegelung erscheint.