Galerie Gisèle Linder, Basel, November 2021
Der Ausstellungstitel Zukünftige Fundstücke spielt mit der Vorstellung, dass die ausgestellten Werke von Archäolog:innen der Zukunft entdeckt werden. Viele der Arbeiten erinnern an Versteinerungen oder wurden so verändert, dass sie Züge eines Artefakts erhalten. Christoph Eisenring verfolgt eine künstlerische Praxis des Suchens. Er verarbeitet scheinbar beiläufige Gegenstände aus dem Alltag zu Reduktionen ihrer Form. Dabei interessieren ihn Gegenstände, die nicht an eine spezifische Zeit gebunden, sondern in ihrer Funktion oder Verwendung so zentral sind, dass sie Zeiten überdauern, ohne dass ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Durch die zeitliche Verschiebung, auf die der Ausstellungstitel hinweist, wird ins Bewusstsein gerufen, dass jedes noch so belanglose Objekt eines Tages zum Fundstück werden kann und als Überbleibsel einer vergangenen Zeit gelesen.
Versteinerter Ton
Versteinerter Ton zeigt den Negativabdruck eines Triangels – wider Erwarten in Gips gegossen. Das Instrument scheint im Abdruck konserviert, sein Ton klingt jedoch nur in der Vorstellung der Betrachtenden. Das rudimentäre Instrument widerspiegelt die künstlerische Formensprache von Christoph Eisenring: Ist der Ausdruck des Triangels doch auf ein Minimum reduziert, muss der präzise Zeitpunkt seines Erklingens von Musizierenden auf den Punkt gebracht werden. Der entstehende Klang wird mit Orchestermusik assoziiert. Dabei hat er sich längst in die Hektik unseres Alltags eingeschlichen – er markiert den Moment des Eintreffens von Mitteilungen und Erinnerungen auf dem Smartphone. Überall auf der Welt, millionenfach, gerade jetzt.
Stummes Getriebe
Die Arbeit Stummes Getriebe ist eine kubische Box mit Innenseiten aus Spiegeln. In ihrem Inneren befindet sich der Gipsabguss eines Zahnrades, mit dem exakten Durchmesser des Kastens, sodass die Gipsform die Spiegel allseitig berührt. Blickt man in die Box, erscheinen die unendlich aneinandergereihten Spiegelungen des Rades, dessen Zähne niemals ineinandergreifen werden. Ein Gedankenspiel, das die unendliche Unmöglichkeit in den Raum stellt, dass die gespiegelten Zähne jemals eine Bewegung auslösen könnten. Im Widerspruch dazu wird das Zahnrad mit der schweren Arbeit einer Maschine unter krächzendem Eisen assoziiert. Sinnbildlich für die Aussichtslosigkeit auf Bewegung ist das Rad zur ewigen Verstummung verdammt.
Weisser Zwerg
Die Kugel besteht aus Zucker und Salz, wurde in einer Form gepresst und durch einen langwierigen Prozess feingeschliffen, sodass die Materialität als Endprodukt eher an edle Gesteine wie Marmor oder Alabaster erinnert als an die grundsätzlichsten unserer Lebensmittel. Die Gegensätzlichkeit von Zucker und Salz und deren Verbindung ist dem Titel einverleibt: Weisser Zwerg bezeichnet das Endstadium eines Sternes, der sich um sein Vielfaches verkleinert. Dabei komprimiert sich seine Masse unter gigantischem Druck auf einen kleinen Punkt im All – bis dieser eines Tages gänzlich verglüht. Vielleicht ist das stehende Reiskorn auf schwarzem Grund Ausdruck dessen.
Die Ergebnisse der steten Suche von Christoph Eisenring nach beiläufigen Eigenarten kommen in dieser Ausstellung zusammen. Es sind zum Zeitpunkt vergangene, abgeschlossene Beobachtungen und Erforschungen von Objekten. Reduziert, feinsinnig verändert oder umgemodelt in ihrer Bestimmung, sodass sie neue Denkprozesse anstossen.
Zurück bei der Vorstellung, dass Forscher:innen der Zukunft auf diese Kunstwerke stossen, würde für sie die Suche in der Bestimmung und der Deutung der Fundstücke von neuem beginnen.